Die Primadonnen

Franziska Lebruns (1756 - 1791) und Margarethe Danzis (1768 - 1800) Biografien bilden eine nennenswerte Schnittmenge: die bedeutende Karriere als Sängerin, das künstlerische Zentrum des Mannheimer - später Münchner - Hofs, eine Lehrerin/Schülerin Beziehung sowie ein angeheiratetes Verwandtschaftsverhältnis.

Margarethe Marchand (später Danzi) wird als Tochter des Münchner Theaterdirektors Theobald Marchand geboren. Sie steht schon als Kind schauspielernd, singend und klavierspielend auf der Bühne. Ihren ersten Unterricht erhält sie bei ihrer späteren Schwägerin Franziska Lebrun (damals noch Danzi). Margarethes offizielles Debüt als Opernsängerin (sie war längst am Mannheimer, dann Münchner Hof angestellt und als musikalische Kapazität bekannt) feiert sie dann ausgerechnet als Vertretung für Franziska Lebrun 1787 in Abbé Voglers Castor e Polluce. Später wird sie sich vor allem in Mozartschen Figuren wie Fiordiligi oder Susanna einen Namen machen.
In den Jahren 1781 - 1784 lebt sie gemeinsam mit ihrem Bruder im Hause Leopold Mozart, von welchem die Geschwister musikalisch unterwiesen werden. Leopold berichtet 1782 in einem Brief an Breitkopf und Härtel:

Unterdessen habe ich eine Unterhaltung mit zwei Schülern, dem 12jährigen Sohne und dem 14jährigen Töchterchen des Herrn Marchand, Theater Directors in München, die bey mir in Erziehung sind, und ich Hoffnung habe, an dem Knaben einen großen Violin- und Klavierspieler, und an dem Mädchen eine gute Sängerin und vortreffliche Klavierspielerin zu bilden

Leopold ist überzeugt vom Talent der Gretl, wie sie im Dunstkreis der Mozarts heißt, und ermutigt sie zum Komponieren. Sein Versuch, ihre Sonaten für Violine und Klavier bei Torricella in Wien verlegen zu lassen, scheitert zwar, zeugt jedoch von Leopolds Wertschätzung und Unvoreingenommenheit. Ihre wenigen gedruckten Kompositionen erscheinen später bei Falter in München. Ob die als Op. 1 dort gedruckten Sonaten für Violine und Klavier jene sind, von denen Leopold 1786 seiner Tochter Nannerl berichtet (Ein Briefchen von der Gretl. Und 3 Sonaten von der Gretl…), bleibt unklar.
Margarethe heiratet 1790 Franziskas Bruder Franz Danzi, Cellist und Komponist am Mannheimer/Münchner Hof. Die Ehe ist für beide ein persönlicher wie beruflicher Segen. Franz liebt und schätzt seine Frau über die Maßen, die beiden unternehmen mehrjährige Kunstreisen. Nach Margarethes Tod fällt Franz in eine schwere Lebens- und Schaffenskrise, unterbricht vorübergehend das Komponieren und tritt eine neue Stellung in Stuttgart an. Er fühlt sich nicht mehr in der Lage, Opern zu dirigieren, in denen vormals seine Frau in den Hauptrollen brillierte. Margarethe Danzi muss eine hochbegabte, charismatische Künstlerin gewesen sein. Die Allgemeine Musikalische Zeitung schreibt 1801 in einem Nachruf über sie:

Ihre Kompositionen sind ganz der Aushauch einer originell denkenden und tief empfindenden Seele.

Franziska Danzi (später Lebrun) wächst musikalisch im Geist der Mannheimer Schule auf. Ihr Vater, Innocenz Danzi, ist Cellist am Mannheimer Hof, ihre Mutter Barbara Danzi, geb. Toeschi, Sängerin, ihr wichtigster Lehrer (neben den Eltern) Georg Joseph (Abbé) Vogler.
Der Sängerinnenberuf war eines der wenigen künstlerischen Betätigungsfelder für Frauen, in denen sie bedingungslos akzeptiert ja geradezu unverzichtbar waren. Als Sängerin konnte Frau ungehindert Karriere machen und dafür ist auch Franziska Lebrun ein glänzendes Beispiel. Den ersten öffentlichen Erfolgen der erst sechzehnjährigen wohnt 1772 Charles Burney in Schwetzingen bei und bemerkt:
Francesca Danzi, ein deutsches Frauenzimmer, deren Stimme und Singart brillant sind; sie hat dabei einen artigen Wuchs, einen guten Triller, und einen Vortrag, der so wahr italienisch ist, als ob sie ihr ganzes Leben in Italien zugebracht hätte. Kurz, sie ist schon eine sehr angenehme Sängerin und verspricht noch weit mehr; denn sie ist jung und diesen Sommer zum ersten Male aufs Theater gekommen.

Sie gehört mit ihrem Ehemann, dem Oboisten Ludwig August Lebrun zu den bestbezahlten MusikerInnen am Münchner Hof. Mehrere langjährige Auslandsaufenthalte in ganz Europa, die die Eheleute quasi lediglich für die Karnevalszeit unterbrechen, um ihren vertraglichen Verpflichtungen im Münchner Ensemble nachzukommen, machen die Primadonna international bekannt. Während eines Londoner Aufenthaltes entstehen auch die beiden Opera mit jeweils sechs Sonaten für Klavier und Violine (ca. 1780), welche ab 1785 von etlichen renommierten Verlagen in London, Paris, Offenbach, Mannheim und Amsterdam nachgedruckt werden - die Kompositionen erfreuen sich offensichtlich großer Beliebtheit.
Vom plötzlichen Tod ihres Mannes 1790, mit dem sie eine harmonische und künstlerisch befruchtende Ehe führt, ist sie so tief erschüttert, dass nicht nur ihre Karriere abrupt endet sondern bald darauf auch ihr Ableben folgt. Seit eineinhalb Jahren in Berlin unter frenetischem Erfolg beispielsweise in Reichhardts Brenno zu hören, stirbt sie im Mai 1791 auf der Höhe ihres Erfolgs. Sie hinterlässt zwei Töchter, die ebenfalls Musikerinnen werden.
Christian Friedrich Daniel Schubart schreibt noch in den 1830er Jahren über die Künstlerin:


Unter allen bis jetzt lebenden Sängerinnen brachte noch keine ihre Stimme zu der bewundernswürdigen Höhe, als sie; denn sie erreichte mit derselben das dreigestrichene a, und zwar nicht mit stumpfer Intonirung, sondern mit Klarheit und Deutlichkeit. Die Coloraturen, sie mögen so schwer seyn als sie wollen, bringt sie mit vieler Richtigkeit heraus; nur ist in rührenden und gefühlvollen Arien ihr Ton nicht dick genug. Sie scheint mehr glänzen, als das Herz treffen zu wollen, auch scheint ihr Geist mehr Neigung zum komischen, als zum tragischen Vortrage zu haben. Sie war zugleich eine elegante Clavierspielerin und setzte sich für ihr Instrument mehrere Sonaten, die voll schöner Harmonie und innigem Gefühl sind.