Frühromantik pur
14. Mai / 20 Uhr/ Tuniberghaus Freiburg-Tiengen
Ardinghello Ensemble
http://ardinghello.com/de/termine.html
Bach h-Moll Messe
18. Mai / 20 Uhr / Philharmonie Köln
Bach-Verein Köln / Leitung: Christoph Siebert
Frankfurter Galeriekonzert
3. Juni / 17:30 Uhr / Galerien Frankfurt Mitte
https://www.eventim.de/event/frankfurter-galeriekonzerte-treffpunkt-galerie-maurer-16568144/
Cupid and Death
11. Juni / 19 Uhr / Ernst-Ludwig Saal Eberstadt
David Pichlmair und Concentus 1709
https://www.staatstheater-darmstadt.de/veranstaltungen/cupid-and-death-barockfest-darmstadt.1383/
Bach h-Moll Messe - Rheingau Musik Festival
28. Juni / 19 Uhr / Basilika Kloster Eberbach
Bachchor Mainz / Leitung: Ralf Otto
Franziska Lebruns (1756 - 1791) und Margarethe Danzis (1768 - 1800) Biografien bilden eine nennenswerte Schnittmenge: die bedeutende Karriere als Sängerin, das künstlerische Zentrum des
Mannheimer - später Münchner - Hofs, eine Lehrerin/Schülerin Beziehung sowie ein angeheiratetes Verwandtschaftsverhältnis.
Margarethe Marchand (später Danzi) wird als Tochter des Münchner Theaterdirektors Theobald Marchand geboren. Sie steht schon als Kind schauspielernd, singend und klavierspielend auf der Bühne.
Ihren ersten Unterricht erhält sie bei ihrer späteren Schwägerin Franziska Lebrun (damals noch Danzi). Margarethes offizielles Debüt als Opernsängerin (sie war längst am Mannheimer, dann Münchner
Hof angestellt und als musikalische Kapazität bekannt) feiert sie dann ausgerechnet als Vertretung für Franziska Lebrun 1787 in Abbé Voglers Castor e Polluce. Später wird sie sich vor allem in
Mozartschen Figuren wie Fiordiligi oder Susanna einen Namen machen.
In den Jahren 1781 - 1784 lebt sie gemeinsam mit ihrem Bruder im Hause Leopold Mozart, von welchem die Geschwister musikalisch unterwiesen werden. Leopold berichtet 1782 in einem Brief an
Breitkopf und Härtel:
Unterdessen habe ich eine Unterhaltung mit zwei Schülern, dem 12jährigen Sohne und dem 14jährigen Töchterchen des Herrn Marchand, Theater Directors in München, die bey mir in Erziehung sind,
und ich Hoffnung habe, an dem Knaben einen großen Violin- und Klavierspieler, und an dem Mädchen eine gute Sängerin und vortreffliche Klavierspielerin zu bilden
Leopold ist überzeugt vom Talent der Gretl, wie sie im Dunstkreis der Mozarts heißt, und ermutigt sie zum Komponieren. Sein Versuch, ihre Sonaten für Violine und Klavier bei Torricella in Wien
verlegen zu lassen, scheitert zwar, zeugt jedoch von Leopolds Wertschätzung und Unvoreingenommenheit. Ihre wenigen gedruckten Kompositionen erscheinen später bei Falter in München. Ob die als Op.
1 dort gedruckten Sonaten für Violine und Klavier jene sind, von denen Leopold 1786 seiner Tochter Nannerl berichtet (Ein Briefchen von der Gretl. Und 3 Sonaten von der Gretl…), bleibt
unklar.
Margarethe heiratet 1790 Franziskas Bruder Franz Danzi, Cellist und Komponist am Mannheimer/Münchner Hof. Die Ehe ist für beide ein persönlicher wie beruflicher Segen. Franz liebt und schätzt
seine Frau über die Maßen, die beiden unternehmen mehrjährige Kunstreisen. Nach Margarethes Tod fällt Franz in eine schwere Lebens- und Schaffenskrise, unterbricht vorübergehend das Komponieren
und tritt eine neue Stellung in Stuttgart an. Er fühlt sich nicht mehr in der Lage, Opern zu dirigieren, in denen vormals seine Frau in den Hauptrollen brillierte. Margarethe Danzi muss eine
hochbegabte, charismatische Künstlerin gewesen sein. Die Allgemeine Musikalische Zeitung schreibt 1801 in einem Nachruf über sie:
Ihre Kompositionen sind ganz der Aushauch einer originell denkenden und tief empfindenden Seele.
Franziska Danzi (später Lebrun) wächst musikalisch im Geist der Mannheimer Schule auf. Ihr Vater, Innocenz Danzi, ist Cellist am Mannheimer Hof, ihre Mutter Barbara Danzi, geb. Toeschi, Sängerin,
ihr wichtigster Lehrer (neben den Eltern) Georg Joseph (Abbé) Vogler.
Der Sängerinnenberuf war eines der wenigen künstlerischen Betätigungsfelder für Frauen, in denen sie bedingungslos akzeptiert ja geradezu unverzichtbar waren. Als Sängerin konnte Frau ungehindert
Karriere machen und dafür ist auch Franziska Lebrun ein glänzendes Beispiel. Den ersten öffentlichen Erfolgen der erst sechzehnjährigen wohnt 1772 Charles Burney in Schwetzingen bei und
bemerkt:
Francesca Danzi, ein deutsches Frauenzimmer, deren Stimme und Singart brillant sind; sie hat dabei einen artigen Wuchs, einen guten Triller, und einen Vortrag, der so wahr italienisch ist, als ob
sie ihr ganzes Leben in Italien zugebracht hätte. Kurz, sie ist schon eine sehr angenehme Sängerin und verspricht noch weit mehr; denn sie ist jung und diesen Sommer zum ersten Male aufs Theater
gekommen.
Sie gehört mit ihrem Ehemann, dem Oboisten Ludwig August Lebrun zu den bestbezahlten MusikerInnen am Münchner Hof. Mehrere langjährige Auslandsaufenthalte in ganz Europa, die die Eheleute quasi
lediglich für die Karnevalszeit unterbrechen, um ihren vertraglichen Verpflichtungen im Münchner Ensemble nachzukommen, machen die Primadonna international bekannt. Während eines Londoner
Aufenthaltes entstehen auch die beiden Opera mit jeweils sechs Sonaten für Klavier und Violine (ca. 1780), welche ab 1785 von etlichen renommierten Verlagen in London, Paris, Offenbach, Mannheim
und Amsterdam nachgedruckt werden - die Kompositionen erfreuen sich offensichtlich großer Beliebtheit.
Vom plötzlichen Tod ihres Mannes 1790, mit dem sie eine harmonische und künstlerisch befruchtende Ehe führt, ist sie so tief erschüttert, dass nicht nur ihre Karriere abrupt endet sondern bald
darauf auch ihr Ableben folgt. Seit eineinhalb Jahren in Berlin unter frenetischem Erfolg beispielsweise in Reichhardts Brenno zu hören, stirbt sie im Mai 1791 auf der Höhe ihres Erfolgs. Sie
hinterlässt zwei Töchter, die ebenfalls Musikerinnen werden.
Christian Friedrich Daniel Schubart schreibt noch in den 1830er Jahren über die Künstlerin:
Unter allen bis jetzt lebenden Sängerinnen brachte noch keine ihre Stimme zu der bewundernswürdigen Höhe, als sie; denn sie erreichte mit derselben das dreigestrichene a, und zwar nicht mit
stumpfer Intonirung, sondern mit Klarheit und Deutlichkeit. Die Coloraturen, sie mögen so schwer seyn als sie wollen, bringt sie mit vieler Richtigkeit heraus; nur ist in rührenden und
gefühlvollen Arien ihr Ton nicht dick genug. Sie scheint mehr glänzen, als das Herz treffen zu wollen, auch scheint ihr Geist mehr Neigung zum komischen, als zum tragischen Vortrage zu haben. Sie
war zugleich eine elegante Clavierspielerin und setzte sich für ihr Instrument mehrere Sonaten, die voll schöner Harmonie und innigem Gefühl sind.
Wien im 18. Jahrhundert wird von einem Vertreter des aufgeklärten Absolutismus regiert: Bauernbefreier, Philanthrop, später auch nostalgisch als Reformkaiser verklärt.
Joseph II. ist außerdem hoch gebildet, weit gereist und liebt und fördert die Kunst in seinem Wien. Vielleicht ist er einer der Faktoren, die Wien zur internationalen Bühne der Hochkultur
machen.
So modern ist Wien, dass auch Frauen hier großangelegte Werke komponieren, Schülerkreise unterhalten und öffentlich in Konzerten auftreten. Kein Wunder also, dass Wolfgang Amadeus Mozart seiner
geliebten Schwester anrät, ihm nach Wien zu folgen und sich als Musikerin selbständig zu machen. Vielleicht dient ihm ja auch ganz konkret eine Kollegin namens Josepha Barbara von Auernhammer
(1758 - 1820) als Anschaungsobjekt für eine Pianistin mit Ambitionen. Voller Ernsthaftigkeit und kollegialem Respekt berichtet er 1781 Vater Leopold über seine Schülerin Auernhammer:
sie hat mir ihren Plan (als ein Geheimnis entdeckt), der ist, noch 2 oder 3 Jahr rechtschaffen zu studiren, und dann nach Paris zu gehen, und Metier davon zu machen. denn sie sagt, „ich
bin nicht schön; o contraire hässlich. einen Kanzley Helden mit 3 oder 400 Gulden mag ich nicht heiraten, und keinen anderen bekomme ich nicht; mithin bleib ich lieber so und will von meinem
Talent leben.“ und da hat sie recht; sie bat mich also ihr beyzustehen, um ihren Plan ausführen zu können. - aber sie möchte es niemand vorher sagen.
Die geplante Reise nach Paris wird sie zwar niemals antreten, dafür aber als freischaffende Künstlerin in Wien ihr Berufsleben bestreiten - ähnlich wie heute mit einem Mix aus Spielen,
Unterrichten und Komponieren. Bezeichnender Weise führt ein Verzeichnis über Dilettanten und Virtuosen in Wien im Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag von 1796 sie als Virtuosin
(ebenso wie Maria Theresia von Paradis übrigens) und nicht (!) als Dilettantin. Der Schritt von der Liebhaberei zur Professionalität war besonders für Frauen häufig kaum zu bewerkstelligen.
Obwohl etliche Frauen auf professionellem Niveau spielten, war Erwerbstätigkeit doch ein selbstverständliches Privileg der Männer. Abgesehen von gesellschaftlichen Normen, die Berufstätigkeit für
Frauen mehr oder weniger ausschlossen, waren sie von häuslichen Verpflichtungen und permanenter Schwangerschaft oft vollkommen eingenommen. Jedoch: Ausnahmen bestätigen die Regel! Und vielen
Menschen (auch Männern) waren solcherlei Konventionen offensichtlich egal. Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Werken Auernhammer teilweise ab 1781 zu ihrer Verlegung verhilft, widmet ihr sechs
Violinsonaten. Auernhammer veranstaltet regelmäßig eigene Akademien im Burg- oder Kärntnertortheater, in denen auch Wolfgang mitwirkt. Nach dem Tod ihres Vaters vermittelt er ihr eine Unterkunft
bei Baronin Maria Elisabeth Waldstätten. Was man eben so alles tut für seine KollegInnen…
Exkurs:
Akademien im 18. Jhd. waren von KünstlerInnen selbst veranstaltete Konzerte auf eigenes finanzielles Risiko. Frauen, für die eine Anstellung als Instrumentalistin oder gar Kapellmeisterin in
einem festen Ensemble praktisch unerreichbar war, boten Akademien eigentlich die einzige Möglichkeit, sich öffentlich - also jenseits von privaten Soiréen - als professionelle Musikerin zu
präsentieren.
Über Auernhammers Kompositionen schreibt Gustav Schilling 1835:
Alle ihre Compositionen übrigens verlangen weniger eine große mechanische Fingerfertigkeit, als Subtilität und Zartheit im Vortrage, Präcision und die höchste Delicatesse im Anschlage,
weshalb wir sie weniger Anfängern als wirklich gebildeten Spielern empfehlen können.
Die Souveränität, mit der sich Auernhammer als erwerbstätige Musikerin versteht und verhält, stößt an anderen Stellen jedoch auch auf Argwohn und Diskriminierung. Wenn die Allgemeine musikalische
Zeitung 1799 anlässlich einer von Auernhammers vielen Veröffentlichungen geifert,
Das 63te Werk? - Ey, ey, das ist für den äussern Beruf einer Dame, auch von noch so vielem innern Berufe zu den Musenkünsten, etwas viel!
lesen wir daraus einmal mehr, über welche Vorurteile und Ungleichbehandlung eine künstlerisch schaffende Frau sich im 18. Jahrhundert hinwegsetzen musste. Selbstbewusste Inanspruchnahme von
Geltung, Wirksamkeit und künstlerischem Eigensinn galt eben als unschicklich für das zweite Geschlecht, das sich vielmehr zurücknehmen und in stiller Demut die Hände in den Schoß oder allenfalls
zum privaten Amüsement auf die Tastatur legen sollte.
Auernhammer jedoch lässt sich weder von öffentlicher Anfeindung noch von einer Heirat (1786 mit Johann Bessening) noch von der Geburt ihrer Tochter Marianna (mit der sie später auch gemeinsam in
Konzerten auftrat) von ihrem - spätestens 1781 - gefassten Plan abbringen.
Maria Theresia von Paradis (1759 - 1824) teilt mit Auernhammer nicht nur die Wiener Abstammung und Sozialisation, sondern auch einen ihrer wichtigsten Lehrer, Leopold Kozeluch, sowie einen
befruchtenden Kontakt zur Familie Mozart - Paradis unternimmt eine dreijährige Virtuosenreise durch Europa, deren Route Wolfgangs und Nannerls erster großer Reise verblüffend ähnlich ist. Auf
diese Reise begibt sie sich übrigens mit eigener Kutsche, für deren Finanzierung die Eltern ihre sämtliche Einrichtung verkauften sowie vermutlich einen zerlegbaren Flügel besorgten.
Paradis erhält eine umfassende, hochkarätige Ausbildung - eine Karriere als Musikerin scheint seitens der Eltern durchaus angedacht. Die Tatsache, dass sie seit ihrem dritten Lebensjahr blind
ist, beeinträchtigt ihren künstlerischen Tatendrang offensichtlich nicht, jedoch führt sie zu einer unerfreulichen Erfahrung mit den spektakulären „Heilmethoden“ des Magnetiseurs Franz Anton
Mesmer.
Welche Folgen die monatelange Behandlung in Mesmers Privaträumen für die Komponistin hat, ist schwer zu recherchieren. Die Gerüchte um ihren dortigen Aufenthalt reichen von anfänglicher Heilung
über eine Liebesbeziehung bis hin zu sexuellem Missbrauch. Letztlich muss Paradis’ Vater über gerichtlichen Weg die Tochter aus den Fängen des Heilers befreien, welcher Wien fluchtartig gen Paris
verlässt, um dort erneut zur Wunder-Attraktion zu avancieren.
Paradis gebärdet sich als Frau und Künstlerin eher zurückhaltend, beinahe devot und wird gemeinhin als rührende Erscheinung wahrgenommen. Gleichzeitig wagt sie sich aber an großformatige
Kompositionen wie Singspiele und Oratorien, tritt als Virtuosin auf und gründet eine bedeutende, viel besuchte Klavierschule für Mädchen und Frauen.
Ihre Blindheit mag einerseits einen Schutz dagegen geboten haben, für ihre öffentliche Platzierung als Künstlerin zur Verantwortung gezogen zu werden, eine freie Spekulation könnte aber auch
jenes denken machen:
Der Blick dient der Objektivierung der Umwelt und damit der Selbstermächtigung. Sehen und Erkennen sind Aktionen, um sich etwas zu erschließen - zu Eigen zu machen. Frauen haben deswegen die
Augen niederzuschlagen. Eine Frau jedoch, die nichts sieht, ist dieses Aktes augenscheinlich nicht fähig und stellt damit keine Gefahr für die männliche Dominanz dar.
Vielmehr löst die Blindheit eine innere Rührung aus, die Boshaftigkeit, Neid und Ausgrenzung gar nicht erst aufkommen lassen und (wenn doch) gesellschaftlich nicht tolerierbar machen.
Interessanter Weise ähneln Äußerungen über eine andere blinde Virtuosin in Vokabular und Motivik jenen über Paradis. Die Glasharmonika-Spielerin Marianne Kirchgeßner, seit ihrem vierten
Lebensjahr erblindet, wird geradezu kultisch verehrt. Die Glasharmonika, der landläufig auch nachgesagt wird, sie könne einen in die Abgründe der Melancholie entschwinden machen, verzaubert im
18. Jahrhundert halb Europa. Auch Mesmer setzt das mystische Instrument mit dem engelhaften, körperlosen Klang in seinen Therapien ein. Der Ruf des Jenseits wird durch die Blindheit der Virtuosin
noch verstärkt in seinem Topos: Ich sehe was, was du nicht siehst. Gleichzeitig eignet sich das Instrument für die absolute Entsexualisierung seiner Interpretin - ein Instrument, das auf magische
Weise wie von selbst klingt, mehr durch bloße Empfindung als durch körperliche Einwirkung.
Charles Burney nennt es einen fast unglaublichen Anblick, Jean-Jaques Rousseau kann sich nichts so Wollüstiges vorstellen - aus ganz Europa reist die Prominenz an, um sie zu erleben: die Mädchen aus den berühmten venezianischen Konservatorien (ursprünglich Waisenhäuser).
Die heiß begehrten Aufführungen der Musikerinnen bleiben den angereisten Voyeuren in der Regel jedoch ein rein akustischer Genuss: Die Mädchen spielen und singen hinter blickdichten Gitterwänden oder zumindest in gebührendem Abstand zum Publikum
(Galakonzert eines Mädchenorchesters und -chores zu Ehren des russischen Thronfolgers in der Sala dei filarmonici, 1782; Guardi)
In den Konservatorien finden Mädchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern - sofern sie begabt sind - eine musikalische Ausbildung, wie sie vorzüglicher nicht sein könnte. Zu den Lehrern gehören Größen wie Vivaldi, Porpora, Hasse, Galuppi und viele mehr. Etliche weibliche Berühmtheiten der großen Opernbühnen entstammen diesen Schulen, aber auch Instrumentalistinnen und Komponistinnen können nach Beendigung ihrer Ausbildung mit der Musik einen Lebensunterhalt bestreiten. Die Mädchen dürfen in dieser der profanen Gesellschaft entrückten Welt ausnahmslos alle Instrumente erlernen, Waldhorn und Pauke eingeschlossen und erhalten Unterricht in allen für das Spielen und Komponieren relevanten Disziplinen.
Eine ausgesuchte Figur der Musikgeschichte, Tochter des Ospedale della Pietá hinterlässt leider kaum eigens veröffentlichte Werke (oder wir müssen sie noch finden), sie sei dennoch erwähnt: Regina Strinasacchi (1761 - 1839)
(Regina Strinasacchi, getuschte Silhouette von Hauk)
Seit acht Tagen lerne ich Violine spielen und extemporiere schon. Die Marwitz spielt die zweite Violine und die Grumbkow lernt die Bassgeige, die Base das Cello des Herrn von Brandt. Es ist
der reine Hexensabbat! Wir machen unsere Sache bereits so gut, dass alles entflieht, wenn wir unser Konzert beginnen! (Wilhelmine von Bayreuth)
Eigensinn, Freigeistigkeit, Unbeugsamkeit - Eigenschaften einer Künstlerin
„Wenn wir ein Frauenzimmer spielen sehen, so empfinden wir ein gewisses Gefühl des Unschicklichen, das, wie mir dünkt, den Eindruck des vorgetragenen Stücks selbst schwächt; Es entsteht aus
Verbindung der Ideen zwischen körperlicher Bewegung, und der eigenen Kleidertracht des zweiten Geschlechts; und ich behaupte, es gibt gewisse Instrumente, die sich für jene eigenen Moden nicht
schicken.
Es kommt uns also lächerlich vor, wenn wir ein Frauenzimmer in Poschen, noch schlimmer, allenfalls im Reifrock, am großen Violon erblicken; lächerlich, wenn wir sie, in großen, hin und her
fliegenden Manschetten die Violin - lächerlich, wenn wir sie, in hoher Fontange, das Horn blasen sehen….
Zudem fordern jene Saiteninstrumente oft eine schnelle, heftige, gewaltsame, rasche Bewegung, die mir allerdings noch überdem deswegen komisch zu sein scheint, weil sie mit der anerkannten
Schwäche des zweiten Geschlechts gar in keiner Beziehung steht. Überdem - der Stand des Weibes ist Ruhe - soll es sein, so gedenkt sich ihn wenigstens der Mann am liebsten, seines eigenen
Vorteils wegen; aber eine Folge von Nebenideen, in welche die Seele durch das heftige Streichen des Instruments gesetzt werden würde; würde auch mit diesem angenommenen Begriff von Ruhe
streiten.“
(„Vom Kostüm des Frauenzimmer Spielens“, Carl Ludwig Junker, 1783)
Wir wollen solchen bizarren Demütigungen möglichst keinen Raum geben (!!) und doch muss man sich der Ideologie des weiblichen Rollenbildes im 18. Jahrhundert wenigstens flüchtig zuwenden,
um zu verstehen, welchen Mut, welchen künstlerischen Drang, welche innere Souveränität ein Frauenzimmer aufwenden musste, um sich als Musikerin zu behaupten. Selbstverständlich können wir
unmöglich eine andere Zeit und damit eine andere Kultur durch die Brille unserer heutigen Wertvorstellungen verstehen geschweige denn beurteilen. Die Wirklichkeit ist (jederzeit) derart komplex,
dass wir sie niemals wirklich erfassen können. Die Arbeit mit Alter Musik setzt (auch in dieser Hinsicht) deswegen die Bereitschaft voraus, auf endgültige Antworten und allumfassende
Wahrheiten in gewisser Weise verzichten zu können und sich mit einem ewigen Annähern zufrieden zu geben. Objektive Urteile sind per se ausgeschlossen.
Betrachtet man die künstlerischen Biografien von Frauen des 17. und 18. Jahrhunderts, kann jedoch jenes unmöglich übersehen werden: Die Bedingungen waren in der Regel zumindest herausfordernd.
Junkers Worte zitiere ich hier exemplarisch, sie sind kein Einzelfall und auch fast hundert Jahre später haben sich die Verhältnisse kaum gebessert. Karl Biedermann erdreistet sich 1856 folgender
Worte:
„Ich will hier nicht davon sprechen, dass das Bedürfnis geistiger Selbständigkeit, welches jeder freischaffenden, künstlerischen oder literarischen Tätigkeit beiwohnt, leicht und fast
unbewusst auch zu einer gewissen genialen Ungebundenheit im gewöhnlichen Leben, zur Abweichung von den herkömmlichen Sitten und Formen, zu einem etwas keckeren Auftreten auch in der Gesellschaft
verleitet - Eigenschaften, welche an dem Weibe doppelt auffallen und ihm bei der öffentlichen Meinung nur bei sehr entschiedenen Begabung, ja selbst dann kaum, zu Gute gehalten werden;
auch nicht davon, dass zur rechten Ausbildung künstlerischer oder literarischer Meisterschaft, gewöhnlich ein ganz besonderer Bildungsgang erfordert wird, Reisen ins Ausland, der Besuch von
Kunstschulen, eigentümliche Studien mancherlei Art, ein lebendiger und vielseitiger Verkehr mit den verschiedenen Volksklassen u. dgl. mehr., wovon das Eine und Andere entweder dem weiblichen
Kunstjünger nach den bestehenden Sitten und Einrichtungen schwer oder gar nicht zugänglich ist, oder doch gegen die dem weiblichen Geschlecht natürliche und durch das Herkommen geheiligte
Zurückhaltung verstößt. Nur daran will ich erinnern, dass der natürlichste und höchste Beruf des Weibes, der Beruf als Gattin, Hausfrau und Mutter, mit der Ausübung einer künstlerischen oder
schriftstellerischen Tätigkeit sich schwer verträgt und fast unausbleiblich darunter leiden muss. Das aber eine versemachende, malende oder musizierende Frau, von schmutzigen und zerlumpten
Kindern umgeben, inmitten einer saloppen, liederlichen Wirtschaft, selber bei leidlicher Genialität dennoch kein anmutiges und liebenswürdiges Bild gewähre, darin glaube ich ihr weibliches Gefühl
mit dem meinigen und dem der meisten Männer übereinstimmen.“
Jedoch driften Ideologie und Realität bekanntlich oft weit auseinander - und das sind sie, die „Ungehorsamen“:
BARBARA STROZZI, die in den Signori Unisoni, einer Art Salon des 17. Jahrhunderts, die führende Rolle mit ihren Kompositionen und ihren Diskussionsthemen einnimmt.
MARIANNE DE MARTINEZ, die in die sagenumwobene Accademia Filarmonica in Bologna aufgenommen wird und in Wien als so etwas wie eine musikalische Sensation gilt.
MARIA THERESA VON PARADIS, die eine mehrjährige Virtuosenreise unternimmt und zwar den Nachteilen, die reisenden Frauen zuteil werden und außerdem ihrer Blindheit zum Trotz.
LISE CHRISTIANI, die sich als erste Frau öffentlich und mit bahnbrechendem Erfolg an das Violoncello wagt.
MARIA ANNA MOZART, die in einem Haushalt mit fünf Kindern auf täglich drei Stunden ganz für sich und das Klavier niemals verzichten wird.
WILHELMINE VON BAYREUTH, die im Erwachsenenalter das Violinspiel erlernt und sich mit ihren Freundinnen dreist zu einem Streichensemble formiert.
ELEONORE PROCHASKA, die sich in Männerverkleidung dem Freikorps zum Widerstand gegen die napoleonische Unterdrückung anschließt, der Truppe im Moment der Schlacht mit einer Trommel zu Mut und
Tapferkeit verhilft und noch im selben Gefecht ihren Wunden erliegt.
Glückliche Umstände, ein aufgeklärter Vater, Ziehvater oder Bruder, ein wohlwollender Ehemann oder ein hervorragender Lehrer werden künstlerische Laufbahnen von Frauen positiv beeinflusst haben -
denn auch das ist klar: Nicht alle Männer waren misogyne Traditionalisten.
Sicher waren jedoch all diese und all die nicht genannten Frauen ebenso sehr mit Talent, Willenskraft und einem dicken Fell ausgestattet.
Veranstaltungen zum Thema Frauen und Musik im 17. und 18. Jahrhundert:
7./9./10./11. Juni '22 / GALERIE Oberursel
Eine Interpretin - ein(e) ZuhörerIn:
Eindrücke von ZuhörerInnen und meine Gedanken zum Format des 1 zu 1 Konzert
„Man kann sich nicht entziehen“
„Ich habe wirklich die ganze Zeit aufmerksam zugehört, normalerweise schweift man im Konzert auch mal ab...“
Ein einzelner Adressat ist kaum zu verfehlen. Sowie sich mein Spiel nur an eine einzige Person richtet, arbeitet sich der/die ZuhörerIn allein an der Beziehung zur Interpretin ab. Keiner von
beiden kann sich zerstreuen, die Konzentration ruht allein auf der gegenwärtigen Situation und der musikalischen Begegnung mit dem anderen. Ein(e) ZuhörerIn ist ein unmittelbar spürbares
Gegenüber, das um seine Bedeutung weiß.
„Ich habe noch nie zuvor deine Finger aus der Nähe beobachten können“
„Ich habe auf deine Atmung und Körpersprache geachtet“
Die räumliche Nähe in einer 1 zu 1 Situation ermöglicht dem/der ZuhörerIn, die Interpretin in ihrer ganzen Körperlichkeit zu erleben. Zentral ist dann nicht Musik, die vom Menschen erzeugt wird,
sondern ein Mensch, der von Musik bewegt ist.
„Wenn ich nicht alleine gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht nicht getraut so viele Fragen zu stellen.“
Die gemeinsame Annäherung an die Musik durch das Gespräch macht den/die ZuhörerIn zu einem wesentlichen Teil der Interpretation. Der/die ZuhörerIn ist dann nicht mehr nur RezipientIn, sondern
gleichermaßen ProduzentIn der Performance. So verschwimmt die Grenze zwischen "Bühne" und "Publikum", wenn sie sich nicht gar auflöst - ein beflügelndes Gefühl.
„In einem Publikum beobachtet man nicht nur das Geschehen auf der Bühne, sondern auch die Reaktionen der anderen Zuhörer“
Tatsächlich habe ich mich mit nur einer ZuhörerIn besonders frei und unbefangen gefühlt. Alleine erlebt der andere nur seine Wahrnehmung, ein Urteil fällt man vielleicht doch
erst in Ab- und Übereinstimmung mit anderen. Ein ganzes Publikum kann sich gegenseitig in Tendenzen der Wahrnehmungen bestärken und sich dadurch vielleicht auch von seiner eigentlichen, spontanen
Empfindung entfremden. Ein einzelner hingegen kann nur ganz bei sich sein.
Neben der Erfahrung der besonderen Intensität und Intimität in einem 1 zu 1 Konzert habe ich gelernt, dass ein(e) ZuhörerIn etwas völlig anderes ist als kein(e) ZuhörerIn. Obwohl ich das
Geigenspiel auch alleine (häufig beinahe rauschhaft) genieße, erzeugt die Anwesenheit einer anderen Person eine Spannung und innere Energie, die ich alleine nicht simulieren kann - selbst wenn
der/die ZuhörerIn durch meine innere Vorstellungskraft so gut wie da ist. Die physische Präsenz eines Menschen ist eben entweder real oder nicht und nur darauf können Körper und Geist reagieren.
Und was ich mit meinem Spiel ausdrücken will, weiß ich eigentlich erst dann, wenn mir jemand leibhaftig zuhört.